Tage der Angst, Momente der Sehnsucht

FAMILIENDRAMA: "Sommerhäuser", das preisgekrönte Spielfilmdebüt der Münchnerin Sonja Maria Kröner.  

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Familie an Bord: Laura Tonke  | Foto: prokino
Familie an Bord: Laura Tonke Foto: prokino
Der Jahrhundertsommer 1976. Wie jedes Jahr trifft sich die Familie in Omas Garten vor den Toren Münchens zur Sommerfrische. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Großmutter Sophie ist gestorben, der Blitz ist in ihren Lieblingsbaum gefahren, ein kleines Mädchen wurde entführt, und den Hinterbliebenen stehen Erbschaftsstreitigkeiten ins Haus. Drei Generationen, fast ein Dutzend Personen mit ganz unterschiedlichen Sorgen und Bedürfnissen: Während die Kinder versuchen, sich mit Baumhaus, Schwimmen und einem mysteriösen Nachbarn die Zeit zu vertreiben, geht bei den Eltern die Angst vor einer weiteren Entführung um. Die Hitze schlägt allen aufs Gemüt, auch das Wespennest am Eingang zu Omas Gartenhütte trägt nicht zur guten Stimmung bei.

Alles in allem passiert aber nicht viel im preisgekrönten Spielfilmdebüt "Sommerhäuser" der 1979 in München geborenen Regisseurin Sonja Maria Kröner – die flirrende Hitze ist ebenso Teil des Ensembles wie der abwesende Nachbar, der nicht nur in seiner Bedrohlichkeit an Arthur Boo Radley aus Robert Mulligans Verfilmung "To Kill a Mockingbird" erinnert. Selbst wenn sich Kröner gelegentlich beim Zeitkolorit vertut – in den Siebzigern sprachen Kinder noch nicht von Deko und die Panik vor Cholesterin kam erst in den Achtzigern aus den USA –, ist ihr Film eine stimmige Choreografie des Kleinkriegs zwischen Geschwistern, Tanten und Schwägerinnen, den ein finaler Schlag abrupt beendet.

Das familiäre Geplänkel, bei dem weder Laura Tonke noch Mavie Hörbiger oder Günther Maria Halmer herausstechen, ruft Erinnerungen an eigene Familientreffen wach. Die 70er Jahre waren das letzte Jahrzehnt vor der Explosion der Neuen Medien; damals kannte man noch Langeweile, die Zeit tröpfelte, so dass die Fantasie sich Bahn brechen konnte. Natur ist hier genau zwischen domestiziertem Kleingarten und wilder grüner Hölle inszeniert, und die Puppenköpfe, die der Nachbar in seine Bäume gehängt hat, haben etwas Dämonisches.

Man braucht eine gewisse Zeit, um die Figuren zu ordnen und die Verwandtschaftsverhältnisse zu verstehen, aber vielleicht ist das gar nicht so wichtig. Hier geht es um Momente der Sehnsucht. Während die Tante sich beim Nacktbaden die Haut verbrennt, die Eltern zweier Kinder einfach nur ein bisschen Geld erben wollen und die alleinstehende Schwester mit dem Tod der Mutter klarkommen muss, sehnt sich ein uneheliches Kind danach, dass Papa zu seinem Geburtstag kommt. Die Mutter hingegen wünscht sich ein Top von Dior. Etwas, das ihr der Liebhaber problemlos finanzieren kann. Zufrieden aber ist keiner. Porös sind die Beziehungen, und in den Rissen lauert die Katastrophe.

Am Ende scheint alles nicht so wichtig gewesen zu sein, aber das erklärt Kröner nicht mehr. Überhaupt wird wenig erklärt, Bilder und Szenen sprechen ihre eigene Sprache, und die Dialoge gehen über Banalitäten kaum hinaus. Dass der Film dennoch packend bleibt, dass man sich gruselt vor dem eigenen Alltag, das ist seine große Leistung.

"Sommerhäuser" (Regie: Sonja Maria Kröner) läuft in Freiburg. (Ab 12)

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