Baden-Württemberg

Wie die Bibliotheksaktion "Heiß auf Lesen" Kinder zum Schmökern animiert

Die Bibliotheksaktion "Heiß auf Lesen" bringt Kinder in Baden-Württemberg in den Sommerferien zu Büchern. Darunter sind Vielleser – aber auch Kinder, die zum ersten Mal einen Schmöker schaffen.  

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In der Bücherwelt versunken: die Zweit...Jana und Clara (von links nach rechts)  | Foto: ia
In der Bücherwelt versunken: die Zweitklässler Jill (vorne), Marco, Paul, Jana und Clara (von links nach rechts) Foto: ia
Paul (9) erzählt von seinem Buch, das er im Rahmen der Bibliotheksaktion "Heiß auf Lesen" gerade gelesen hat. "Der Wunderstürmer" heißt es – es handelt von einem Jungen, der ein digitales Fußballspiel auf seinem Handy spielt. Plötzlich aber steht ein echter Fußballstar vor seiner Haustür, obwohl er sich den doch nur im Internet gekauft hat – oder? Und wie soll nun dessen Profimannschaft Fortuna Düsseldorf ohne ihn zurechtkommen?

Fünf Minuten später erzählt Pauls Klassenkamerad Marco, ebenfalls 9 Jahre alt, dass er gerade ein neues Buch zu lesen angefangen habe – und merkt schließlich, dass es dasselbe ist, von dem Paul gerade berichtet hat. "Ja, danke, Paul", sagt Marco grinsend und fügt hinzu: "Jetzt brauch’ ich’s wenigstens nicht mehr zu lesen."

Die Aktion findet in 192 Bibliotheken im Land statt

Besonders schlimm allerdings ist das nicht: Schließlich gibt es im Rahmen der Sommerferienaktion, die derzeit in 192 Bibliotheken in ganz Baden-Württemberg stattfindet und Kinder zum Lesen animieren soll, noch unzählige andere Bücher, die sich Marco ausleihen kann. Welche das sind, entscheiden jedes Jahr die Bibliothekare der teilnehmenden Mediatheken. Meistens wird ein buntes Potpourri aus angesagtem, aber auch klassischem Lesestoff angeboten; in diesem Jahr geht nichts ohne die Bände von "Der magische Blumenladen", aber auch Fußball- und Pferdebücher sind dabei.

Marco und Paul aus Ihringen sind wie ihre Klassenkameraden, Jill, Jana und Clara (alle 8) mit Feuereifer bei der Aktion dabei. Alle fünf haben schon im vergangenen Sommer mitgemacht. Hinzu kommt, dass sie die Neunlinden-Schule in Ihringen besuchen – und die ist so nah dran an einer öffentlichen Bibliothek wie wenige Grund- oder Gemeinschaftsschulen der Region: die Mediathek der Gemeinde liegt direkt im Schulgebäude – und hat an drei Vormittagen sogar zu Schulzeiten geöffnet. "Das kommt tatsächlich gut an. Manchmal strömen hier in der Pause auch einmal 30 Kinder herein", erzählt Buchhändlerin Carolin Scholl, die in der Mediathek arbeitet. Da passt es gut, dass die Aktion in diesem Jahr schon Mitte Juli begonnen hat, also noch vor Beginn der Sommerferien.

Wer drei Bücher schafft, bekommt eine Urkunde

An einem der letzten Unterrichtstage dieses Schuljahres ist in der Ihringer Mediathek tatsächlich ganz schön was los. Immer wieder kommen Schüler, um sich – nicht nur, aber eben auch – im Rahmen von "Heiß auf Lesen" neue Bücher auszuleihen oder sich darüber zu informieren.

Die Modalitäten sind auch für jüngere Grundschüler leicht zu durchschauen: Für alle Kinder und Jugendlichen vom Grundschul- bis ins Teenager-Alter gibt es für diese Zeit einen kostenlosen Büchereiausweis und ein Logbuch. Dort können die Schüler die Bücher, die sie gelesen haben, bewerten. Wer drei Bücher aus der "Heiß auf Lesen"-Auswahl geschafft hat und der Bibliothekarin kurz erzählt hat, wie sie oder er die Bücher fand, bekommt bei der Abschlussparty nach den Sommerferien eine Urkunde, dazu gibt es Verlosungen und eine Kleinigkeit zu essen. Die teilnehmenden Büchereien haben auch in den Sommerferien geöffnet. "Dass es etwas zu gewinnen gibt, zieht gerade bei den Jungs", sagt Carolin Scholl. Die sind in der Bibliothek meistens ohnehin deutlich in der Unterzahl. Umso sinnvoller findet die Buchhändlerin die Aktion: "Eigentlich finde ich jede Aktion, die Kinder zum Lesen motiviert, sinnvoll."

Ein paar der Kinder lesen schon auf E-Readern

Da drückt sie auch ein Auge zu, wenn es eben gerade ein Buch zu einer Serie ist, das die Schüler interessiert. Wie zum Beispiel eines der Ninjago-Bücher, die gerade bei manchen Jungs gut ankommen. Im Zweifel, findet Carolin Scholl, gelte die Regel: Lieber lesen die Schüler ein Serien-Buch als gar keines. Das ist übrigens nicht die einzige Verbindung zur Digitalisierung, die in den Büchereien spürbar ist. Nicht übermäßig viele, aber doch einige Eltern greifen auch für ihre Kinder schon auf einen E-Reader zurück, sagt Carolin Scholl. Das seien vor allem die Eltern der Vielleser. Die wollten eben nicht mehr zehn oder zwölf Bücher mit in den Urlaub schleppen.

Auch die Mediathek in Kirchzarten nimmt in diesem Jahr wieder an "Heiß auf Lesen" teil. An diesem brütend heißen Nachmittag ist ausnahmsweise nicht allzu viel los. Normalerweise sei das auch hier anders, sagt Bibliothekarin Pia Löffler. 31 Kinder hatten sich bis vor den Sommerferien schon angemeldet. Diego (7) und Sofia (10) bringen ihre gelesenen Bücher zurück, Sofia hat das Buch "Rosa und Toni" gelesen, Diego "Autogeschichten" und "Ein Nilpferd in der Badewanne". Während Sofia im Logbuch für ihr Buch nur einen "War o.k."-Smiley ankreuzt, weil das Buch für sie fast schon ein bisschen zu langweilig war, fand Diego seine Bücher lustig und vergibt einen "Super"-Smiley. Dafür gibt’s von Pia Löffler jeweils einen Stempel ins Logbuch. Und zack, verschwinden die beiden wieder nach oben, wo die nächsten "Heiß auf Lesen"-Bücher warten.

"Es kommen über die Aktion immer wieder Kinder, die davor noch nie da waren und stolz sind, dass sie zum Beispiel ein dickes Buch gelesen haben." Friederike Mertel

Doch was bringt die Aktion wirklich? Eine Menge, sagt Friederike Mertel, die beim Regierungspräsidium Freiburg in der Fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen arbeitet. "Es kommen über die Aktion immer wieder Kinder, die davor noch nie da waren und stolz sind, dass sie zum Beispiel ein dickes Buch gelesen haben", sagt Mertel. Natürlich spreche die Aktion auch die Vielleser an, aber eben nicht nur.

Im Grundschulalter scheinen die Bibliotheken ohnehin kein Problem zu haben, junge Leser anzulocken. "In diesem Altersbereich haben die Bibliotheken großen Zulauf", sagt Mertel. Erst im Jugendalter, meistens zwischen 12 und 13, da werde es zunehmend schwieriger, die Schüler weiter für Bücher zu begeistern. Auch deshalb richte sich "Heiß auf Lesen" – dieses Jahr vom Regierungspräsidium Freiburg zum fünften Mal organisiert – auch noch an diese Altersgruppe.
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