Ruanda
Der alternative Handybauer Fairphone kauft Wolfram aus dem armen Ruanda
Dreckjobs mit Fairfaktor: Die Löhne der Kumpel steigen vorerst nicht, aber die Mine wird sicherer
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Das hat der Arbeiter hinter mir gemerkt, er quetscht sich vorbei und übernimmt die Führung. Also weiter vorwärts, jetzt ist es besser. Nach einer Weile kann man sich aufrichten. Die Stirnlampe am Helm zuckt hin und her. Vorn scheint der Gang eine Biegung zu machen. Von dort sind dumpfe Schläge zu hören.
Dieser Stollen sticht in einen Bergrücken auf gut 2000 Meter Höhe im Gebiet Kagogo des afrikanischen Staates Ruanda. Die Grenze zu Uganda liegt wenige Kilometer entfernt, die kongolesische Stadt Goma zwei Autostunden. Hier wird das Metall Wolfram abgebaut, ohne das Smartphones nicht funktionieren. Das schwere Mineral steckt als Gegengewicht im Vibrationsmechanismus auch des Fairphones, dem Handy mit dem Gute-Gewissen-Faktor. Im Gegensatz zu Konzernen wie Apple und Samsung verspricht die Firma aus Amsterdam, kaum Gewinn zu machen, ihre Geräte langlebiger zu bauen und für bessere Arbeitsbedingungen in der Zulieferkette zu sorgen. Bisher konnte man Fairphones nur über die Internetseite des Unternehmens bestellen. Bald sollen sie auf den Massenmarkt kommen.
Unter dem Berg in Ruanda drängt sich die Frage auf: Was kann an den gefährlichen Drecksjobs hier unten bloß fair sein?
Tief im Stollen hockt ein Bergmann. Er trägt einen blauen Overall, Atemmaske über Nase und Mund, Schutzbrille, ehemals rote, jetzt grau-schwarze Handschuhe einen gelben Helm mit Lampe. Mehr Licht hat er nicht. Es ist heiß und staubig. Der Mann atmet schwer, stöhnt bei jedem Schlag. Mit dem Hammer in seiner Rechten drischt er einen langen Stahlmeißel ins Gestein. Ist dieser tief genug eingedrungen, rüttelt er daran, worauf schwarze Brocken aus der Wand herausbrechen. Diese können das Wolfram enthalten.
Die Bergleute arbeiten wie im Mittelalter. Ihre Muskeln sind alles, was sie haben. Sie brechen den Stein mit der Kraft ihrer Hände, zerkleinern die Brocken mit dem Hammer, stecken sie in Säcke, zerren und schieben sie ans Tageslicht.
Draußen regnet es. Der saftig grüne Bergwald tropft vor Nässe. Vor dem Eingang des Nachbarstollens steht Josiane Mugemi. Sie trägt dunkelblaue Regenkleidung mit der Aufschrift "New Bugarama Mining Company". Die 34-jährige Arbeiterin leitet ein zehnköpfiges Team von Bergleuten. Es herrscht der Aberglaube, dass Frauen unter Tage Unglück bringen. Andererseits gelten sie als zuverlässig im Umgang mit Regeln und Geld.
Dieser Stollen ist besser ausgebaut. Man kann aufrecht hineingehen. Auf Schienen schieben Arbeiter Loren mit Erde und Steinen heraus. Unter den Augen Mugemis hockt vor dem Eingang ein Kollege am Boden und schwenkt eine Waschschüssel hin und her, den ganzen Tag. Erde und Steine trennen sich vom Wolfram. Schließlich pickt eine Arbeiterin die schwarz-glänzenden Bröckchen heraus.
Mugemi sagt, dass sie etwa 100 000 ruandische Francs pro Monat verdient. Das sind 120 Euro. Damit liegt sie beim Doppelten dessen, was die Mine den Arbeitern mindestens bezahlt. Der Grundlohn beträgt um die 50 000 Francs – 60 Euro. Wer mehr Wolfram aus dem Berg herausholt, erhält eine höhere Summe. Sind das nicht trotzdem lächerliche Verdienste?
Für sie und ihren Sohn würde dieser Lohn reichen, sagt Mugemi. Sie könne damit den kompletten Lebensunterhalt bestreiten und auch das Schulgeld bezahlen, obwohl sie keine Landwirtschaft zur Selbstversorgung betreibe. Sehr viele Haushalte in Ruanda bauen selbst Nahrungsmittel an, halten Hühner oder Ziegen. Die Bergleute müssen deshalb mit der Schufterei in der Mine nur einen Teil des Haushaltseinkommens sichern. Auch im Vergleich mit anderen Berufen stehen sie nicht schlecht da: Ein Lehrer auf dem Land erhält vielleicht 40 000 Francs. Trotzdem hat die Sache mehrere Seiten. Die vor einem Jahr in Kigali gegründete Bergarbeiter-Gewerkschaft fordert einen Mindestlohn von 200 000 Francs monatlich (250 Euro). Der Gewerkschaftschef der New-Bugarama-Mine – gleichzeitig Produktionsleiter dort – ist bescheidener. Wegen der gesunkenen Weltmarktpreise für Rohstoffe wie Wolfram könne die Firma ihre Beschäftigten augenblicklich gar nicht mehr bezahlen.
Reicht das alles nun, um das Label "fair" zu rechtfertigen? Schließlich will Fairphone den Beweis antreten, dass Elektronikhersteller, wenn sie nur wollen, bessere Bedingungen bieten können als der Schnitt. Laura Gerritsen aus der Fairphone-Zentrale stapft durch den ruandischen Bergwald. Hoch und runter führen die steilen Wege über das Gelände der Mine. Ihre Gummistiefel sind schlammig. Sie räumt ein: Die Löhne der Bergleute steigen jetzt nicht deshalb, weil Fairphone hier Wolfram kauft. Allerdings habe die Mine bereits in mehr Sicherheit investiert. Und über weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen werde man mit dem Management bald verhandeln.
Die Niederländerin zeigt sich zufrieden, sie fühlt sich fast am Ziel. Mit dem Management der Mine laufen letzte Absprachen. Dann wird Fairphone der österreichischen Firma Wolfram Bergbau 50 Kilogramm Metall pro Jahr abnehmen und in die Endfertigung der Handys nach China schicken. Die Österreicher beziehen den Stoff von der New Bugarama Mining Company. Als Fortschritt, den Fairphone hier bewirkt, stuft Gerritsen diese Entwicklung ein. 2014 habe es quasi einen Boykott für Wolfram aus der Region gegeben. Wenn überhaupt, konnten ruandische Minen nur zu niedrigen Preisen exportieren. Die USA hatten 2010 das Dodd-Frank-Gesetz beschlossen. Seitdem müssen Unternehmen, die Erz aus Ost- und Zentralafrika beziehen, bestätigen, dass ihre Lieferanten nicht den Krieg im Kongo mitfinanzieren. Viele internationale Käufer wollten erst gar nicht unter Verdacht geraten und kauften die Rohstoffe lieber woanders – etwa in China.
Damit Firmen wie die österreichische Wolfram Bergbau wieder Material aus Ruanda importierten, brauchte es viele Fürsprecher. Laura Gerritsen sieht Fairphone als einen der Akteure, die sich für Ruanda eingesetzt haben. "Mit unserer Einkaufspolitik wollen wir Entwicklung befördern. Wir schaffen zusätzliche Nachfrage nach Produkten, um die lokale Ökonomie in der Region der Großen Seen zu unterstützen", sagt Gerritsen. Mit New Bugarama habe Fairphone eine der "besseren" Minen ausgesucht. Sicherheit, Löhne und Organisation lägen im nationalen Vergleich über dem Schnitt. In anderen Bergwerken werden die Arbeiter nicht unbedingt mit Helmen und Schutzbrillen versorgt, sie müssen auf Lohnfortzahlung verzichten, wenn die Produktion ruht.
Während der Tour über das Gelände hält Minen-Chef Janvier Ndabananiye an einer Stelle mit wunderbarer Aussicht. Er blickt hinunter ins Tal, in der Ferne schimmert der Burera-See. Und gleichzeitig schaut der 40-jährige Geologe zurück. "Nach dem Genozid von 1994 war hier fast nichts mehr." Damals ermordeten Angehörige der Bevölkerungsmehrheit der Hutu eine Million Menschen der Tutsi-Minderheit. Die Gebäude der Mine seien zerstört, alles Brauchbare geklaut worden. 2009 habe man mit einfachsten Mitteln wieder angefangen, mitfinanziert vom belgischen Eigner des Bergwerks.
die ersten Pressluftbohrer
Im Vorzimmer von Michael Biryabarema muss man etwas warten. Schließlich amtiert der Mann als Chef des Geologischen Dienstes in Kigali. Als man vor dem breiten, dunkelbraunen Schreibtisch unter dem Portrait des Staatspräsidenten Platz genommen hat, ist Biryabarema erstaunt über das Fairphone. Davon hat er noch nichts gehört. Dass die Holländer nun Wolfram aus der New-Bugarama-Mine für den europäischen Markt kaufen wollen, findet der Chefgeologe "sehr, sehr gut". Für ihn ist das ein Zeichen, dass Ruanda wirtschaftlich die schlimmsten Zeiten hinter sich haben könnte.
HINTERGRUND: Info
Für die Wolfram-Verarbeitung spielt auch Baden-Württemberg eine Rolle.
In Laufenburg am Rhein unterhält die Firma H.C. Starck eine Niederlassung. 370 von 2700 Mitarbeitern weltweit sind hier beschäftigt. Der Elektronikindustrie verkauft das Unternehmen Produkte aus den Metallen Wolfram, Tantal und Molybdän sowie Hochleistungskeramiken.
Wolfram aus Ruanda importiert H.C. Starck derzeit nicht, erklärt die Firma schriftlich auf BZ-Anfrage. Zu einem Gespräch ist man nicht bereit. Aus Afrika beziehe man derzeit nur Tantal. Das Unternehmen betont, zertifizierte Rohstoffe zu verwenden. Dieses Thema ist für die Branche sehr wichtig. Mit ihrem Dodd-Frank-Gesetz von 2010 haben die USA den Druck auf die Wirtschaft erhöht, keine Metalle aus der ostafrikanischen Region der großen Seen zu verwenden, deren Gewinne zur Finanzierung bewaffneter Konflikte im Kongo dienen. Um die unbedenkliche Herkunft ihrer Rohstoffe zu belegen, lassen sich viele Industrieunternehmen deshalb Zertifikate von der "Initiative für die Zinn-Wertschöpfungskette" (iTSCi) ausstellen. H.C. Starck muss dabei unter anderem exakt nachweisen, aus welchen Minen welche Mengen der einzelnen Metalle stammen. "Rückverfolgbarkeit" ist das Stichwort. So will man verhindern, dass geschmuggeltes Erz in die eigene Produktionskette einsickert. Denn dabei würde die Gefahr bestehen, dass der Rohstoff aus Bergwerken stammt, deren Gewinne örtliche Kriegsherren abschöpfen.
Der Umsatz des Unternehmens betrug knapp 800 Millionen Euro im Jahr 2014. H.C. Starck betreibt Joint Ventures mit Firmen in China, Vietnam und Japan. Der Hauptsitz ist im niedersächsischen Goslar, die Zentrale in München. 2007 wurde die Firma vom Bayer-Konzern verkauft und befindet sich nun im Besitz der Finanzinvestoren Advent International und Carlyle Group.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ